Mittelalter­ofenbrand - Experi­mentelle Archäologie mit Erlebnis­charakter

...und wer lieber einen Film dazu sehen möchte anstatt zu lesen, wird hier fündig: "Feuerfüchse lodern wieder" - ein Film über den Brand im Jahr 2013.

 

Einleitung bzw. Vorgeschichte

Wie haben die Töpfer im Mittelalter die Keramiken gebrannt? Die Grabungen in Fredelsloh und in der Dorfwüstung Bengerode haben Keramiken zu Tage gefördert, die z.T. als Irdenware benannt werden können, z.T. als Steinzeug. Anhand der freigelegten Brennöfen kam der Geschichts- und Heimatverein in Fredelsloh auf die Idee einen mittelalterlichen Ofen nach zu bauen und herauszufinden, wie die Menschen im Mittelalter die Keramiken gebrannt haben, die auf Grund ihrer hohen Qualität im gesamten Hanseraum gehandelt wurden.

So stellten sich die Fragen: Wie schnell haben die Menschen damals das Feuer geschürt? Wie waren sie in der Lage, das Feuer zu kontrollieren – so ganz ohne Thermometer? Befunde der Grabungen vor Ort zeigen, dass der eisenhaltige Fredelsloher Ton in gebranntem Zustand unterschiedliche Farben aufweist – rot für oxidierte Eisenbestandteile und grau bis schwarz für reduzierte Eisenanteile. Doch wann ist der Zeitpunkt, reduzierend (unter Sauerstoffmangel) bzw. oxidierend (mit ausreichend Luftzufuhr) zu brennen?

2006 entstand in Anlehnung an die Befunde der Mittelalterofen am KERAMIK.UM, gebaut aus Ton, Sand, Heu und Lehm. Seitdem wird dieser einmal im Jahr als experimentelle Archäologie befeuert.

Der Mittelalterofenbrand stellt seitdem jedes Jahr den Höhepunkt unserer Arbeiten rund um die Geschichte des Töpferns dar. Ende Juni 2012 konnten wir mit vielen Engagierten wieder versuchen nachzuempfinden, wie in Fredelsloh im Mittelalter gebrannt wurde. Die Mitglieder des Heimatvereins, Archäologen und andere Begeisterte haben sich die Tage und Nächte um die Ohren geschlagen, um dem Rätsel des mittelalterlichen Keramikbrennens auf die Schliche zu kommen.

 

Vorbereitung

Dem Mittelalterofenbrand gehen Wochen voraus, in denen Holz geschlagen und fleißig getöpfert wird – ob auf der Elektroscheibe, der Schwungscheibe oder sogar auf der mittelalterlichen Blockscheibe. Es entstehen Kugeltöpfe, Kugelbecher, Grapen, Vierpassbecher, Kelche, Tüllenkannen, Steilrandkrüge, Reiter u.v.m. An die 600 Stück Keramiken fasst der Ofen. Um diese Menge nebenbei anzufertigen braucht es dann auch wieder gut zwei Monate.

Neben dem Herstellen der Rohware werden verschiedene Engoben vorbereitet. Die Ware wird in Anlehnung an die Befunde aus den Grabungen nicht glasiert, sondern nur engobiert. Nach einer kurzen Trocknungs­phase werden die Kugelgefäße ausgebeult, Gefäße gehenkelt oder anderweitig behandelt und schließlich alles engobiert.

Am Donnerstag vor dem Einbau wird der Ofen für den Brand vorbereitet. Da der Ofen beim Brand Temperaturen bis zu 1200°C ausgesetzt ist, entstehen immer wieder Dehnungsrisse, die während des Brandes verschmiert werden müssen. Diese Risse verschließen sich zwar wieder beim Abkühlen, allerdings entstehen auf diese Weise Sollbruchstellen, die die Dichtigkeit des Ofens beeinflussen. Auch setzen die hohen Temperaturen dem Innern des Ofens zu. Bei über 1000°C fängt der Lehm im Innern an zu schmelzen und zu verglasen. So passiert es nicht selten, dass geschmolzener Lehm auf die Keramiken herunter tropft und sich auf Immer mit diesen verbindet. Die Schäden, die während eines Brandes entstehen, müssen vor einem neuerlichen Brand repariert werden. So auch in diesem Jahr und es kann schon verraten werden, dass dies gut gelungen ist.

Nach der Reparatur folgt der Einbau der Ware. Die Keramiken werden im Innern des Ofens bis an die Decke gestapelt. Das Feuer muss auf möglichst viele „Hindernisse“ treffen, damit es nicht den direkten Weg zum Schornstein hinaus nimmt und der Ofen keine ausreichende Temperatur erreicht. Trotzdem braucht es auch genug Platz um sich bis in die hinteren Schichten auszubreiten, so ist der Einbau der Ware eine ziemlich filigrane Angelegenheit. Die Stapel müssen stabil stehen, damit sie beim Feuern durch den hohen Flammendruck nicht schwanken und umfallen können. Der dann eintretende Dominoeffekt könnte den gesamten Brennvorgang zunichte machen.

Auf den Stapeln werden unterhalb der Zuglöcher des Ofens, die mit Lehmstopfen verschlossen sind, kleine Henkelkrüge eingebaut, die als Ziehproben dienen. Wenn die Temperatur im Ofen sich im Bereich von über 1100°C hält, werden diese mit einer langen Eisenstange über die Öffnungen entnommen, um den aktuellen Brennzustand der Keramik zu kontrollieren.

Um die Temperatur kontrollieren zu können, wird ein analoges Thermometer im vorderen Bereich des Brennraumes fest installiert. In diesem Jahr wird ein digitales Thermometer variabel in die Öffnungen des Ofens eingeführt. Innerhalb des Ofens kann so der Temperaturunterschied gemessen werden. Die Temperatur im Ofen ist direkt hinter der Feuerstelle am höchsten, nach hinten liegt sie um bis zu 200°C niedriger.

Das Ofenrohr am Ende des Ofens wird mit einer Platte versehen. Je nachdem ob reduziert oder oxidiert gebrannt werden soll, wird diese den Schornstein verschließen. Während der Reduktionsphasen wird der Schornstein mit der Platte abgedeckt.

Nach dem Einbau wird der Ofen verschlossen. Der Brennvorgang kann beginnen.

 

Der Brand

Das Anzünden stellt den offiziellen Startpunkt für den Brand dar. Nachdem sich die vielen Engagierten und Interessierten an der Feuerstelle unterhalb der Brennkammer versammelt haben, wird in traditioneller Weise das Feuer mit Feuerstein, -schwamm und Eisen geschlagen. Ist es dann entzündet, wird dem „Ofengott“ ein Opfer in Form von flüssigem Gebrannten übergeben. Jeder der Anwesenden opfert ihm einen Schluck. 

Beim Anfeuern, das langsam geschieht, wird der Brennplan aufgestellt und die Arbeitsschritte festgelegt. In vier Stundenschichten wird der Ofen in den folgenden mindestens 36 Stunden von je 2 Personen kontinuierlich mit Holz befeuert und 'bewacht'. Die Helfer werden dabei so eingeteilt, dass immer ein erfahrener Helfer mit einem Novizen zusammen arbeitet. Einer öffnet die Feuerkammer, der andere legt das Holz nach. Und da das Unternehmen nicht nur Arbeit sondern auch Vergnügen mit sich bringen soll und die Verpflegung gesichert sein muss, gibt es weitere Helfer, die sich um das leibliche Wohl kümmern – vom Grillen über Gemüse- und Wildsuppe bis hin zur Kuchen- und Frühstückstafel. Dabei tauchen von den unterschiedlichen Ofenfans kulinarische Köstlichkeiten auf, die das Beisammensein zu einem Erlebnis machen.

Das Anheizen erfolgt in Etappen. Bei Temperaturen ab 100°C (ab 3 Stunden) verdampft das freie Wasser, welches sich noch in der Rohware befindet. Bis 400°C (ab ca. 6 Stunden) wird das gebundene Wasser aus dem Ton gelöst. Ab 1100°C beginnt der Ton zu sintern, d.h. die Minerale (Silikate) im Ton verschmelzen (verglasen). Bei diesen Temperaturen entsteht das wasserdicht gebrannte Steinzeug. Dieser Temperaturbereich wird ca. ab 24 Stunden erreicht.

Durch die ansteigende Wärme beginnt der Ofen sich auszudehnen. Während des gesamten Brennvorgangs bilden sich Dehnungsrisse, die mit einem dünnflüssigen Lehm immer wieder verschlossen werden müssen. Die Helfer waren auch in diesem Jahr wieder besonders aktiv, so dass der Ofen keine nennenswerten Schäden davon getragen hat.

Bei Temperaturen ab 900°C schlagen Flammen durch die nicht dicht verschlossenen Zuglöcher. Diese Flammen werden Feuerfüchse genannt und treten durch die Ritzen nach außen. Je höher die Temperatur steigt, desto beeindruckender werden die Feuerfüchse. Sie sind besonders ausgeprägt, wenn gerade Holz nach gelegt wurde. Die Ware ist mittlerweile orange-rot glühend.

Die Ziehproben werden ab einer Temperatur von 1100°C gezogen. Da sie sehr schnell abkühlen, können sie Kühlrisse bekommen und zerspringen.

Nach ca. 39 Stunden – die letzten 4 Stunden liegt die Temperatur im Ofen bei mehr als 1180°C – wird die letzte Ziehprobe genommen. Es zeigt sich, dass die Keramik gut gebrannt sein sollte. Es wird begonnen, den Ofen runter zu feuern. Bei ca. 800°C wird der Ofen mit Lehm verschlossen. Zuletzt werden die Lehmziegel zum Verschließen der Feuerkammer eingesetzt und ebenfalls mit Lehm verputzt.

Der Ofen kühlt an den folgenden Tag langsam runter. Am Samstag darauf wird er geöffnet. Mit Spannung wird die Ware hervorgeholt: Im hinteren Teil ist die Irdenware gut gebrannt bei Temperaturen um die 1000°C. Nach vorn zur Feuerkammer bekommen wir einen kurzen Schreck, ein Stapel ist gefallen, gleichwohl ohne die umliegen zu beschädigen. Und dann erleben wir das erste mal dunkelrot gebrannte Ware – Funde haben diese Farbgebung belegt, allerdings ist es uns bis zum diesjährigen Brand nicht gelungen, diese nach zu brennen. Nur wenig ist kaputt gegangen oder mit herabtropfendem Lehm verschmolzen. Also können wir sagen, dass der Brand unseren Erwartungen mehr als gerecht wurde. Nun gilt es für die (Experimeltal-) Archäologen herauszufinden, was wie geändert wurde im Vergleich zu früheren Bränden und die Ergebnisse des Brandes zu vergleichen. 

In diesem Jahr 2012 waren neben den Engagierten aus dem Verein, die mit angepackt oder erneut alle gut versorgt haben, auch wieder Gäste dabei, mit deren Hilfe der Mittelalterofenbrand einmalig wurde. Das Brenn-Team setzte sich aus Archäologen, Angestellten, Handwerkern und Mitgliedern des Vereins zusammen. Die Zusammenarbeit hat hervorragend geklappt, es ging alles Hand-in-Hand.

Der Verein bedankt sich für das schöne Erlebnis bei dem Team aus Vereinsmitgliedern und bei Susi, Martin, Tomasz, Alex, Sven, Zoltan, Levente und bei allen, die dem Brand einen kulinarischen und gemütlichen Rahmen gegeben haben.